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last update: 16.02.2021

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18.02.2002

zwei mal ans Ende der Welt

Hallo miteinander
Ja, lange ist's her, dass ich euch das letzte Mal geschrieben habe. Inzwischen bin ich weit gekommen und habe viel erlebt, aber viel zu viel um nun alles niederzuschreiben. Folgendes kann ich euch zum Lesen anbieten:
• 2 Monate suedwaerts
• unsere Reiseroute (fuer diejenigen, die einen Atlas zur Hand nehmen wollen)
• Die Faehre von Quellon nach Chaiten (Eine Kurzgeschichte aus der Feder von Philippe, meinem treuen und teurem Reisegefaehrten)
• Carretera Austral - Ueber Konversation am Ende der Welt. Auf dass diese Geschichte so zu stehen kam, bin (auch) ich zugegebenermassen etwas stolz, denn Philippe und ich haben sie in einer der kurzweiligsten und kreativeren E-Mail-Sessions in diesen Laendern gemeinsam in Worte gefasst.
• Ushaia, ein zweites Mal am Ende der Welt und wie es weitergeht

2 Monate suedwaerts
Santiago - Ushaia, eine fast 2monatige Reise, viele Stunden im Bus oder auf anderen Fahrzeugen, 5 mal haben wir die Grenze Chile-Argentinien ueberquert, 6 mal bin ich auf dem Internet gewesen, auf vielen, verschiedenen Matrazen habe ich geschlafen, doch oft auch im Zelt und Schlafsack uebernachtet und einige Kilometer haben wir zu Fuss zurueckgelegt.
Patagonien und Tierra del Fuego nennen sich diese Gegenden. Sie sind mehr als nur "eine Reise wert". Es faellt mir schwer, einzelne Highlight herauszupicken, denn dieser Abschnitt ist ein Ganzes. Aber jedem, der sich so weit in den Sueden wagt, rate ich ein Zelt und die noetige Ausruestung mitzunehmen, denn nur so kann man das wahre Patagonien erleben.

unsere Reiseroute
Santiago - Villarica
ueber Puerto Fui nach San Martin de los Andes (Arg.)
Wanderung am Huahumpass
7 Lagos - Barriloche (Arg.)
Trekking im Nahuel Haupi Nationalpark
zurueck nach Chile --> Insel Chiloe
mit der Faehre nach Chaiten
Carretera Austral
Abstecher zur Laguna San Rafael
Carretera Austral bis nach Villa O'Higgins
mit Schiff, Pferden und zu Fuss ueber die Grenze nach El Chalten (Arg.)
Trekking im Los Glaciares Nationalpark (Fitz-Roy)
El Calafate - Perito Moreno Gletscher
Trekking im Torres del Paine Nationalpark
Puerto Natales - Punta Arenas
Trekking auf Tierra del Fuego (Paso Beban)
Ushaia, Fin del Mundo (Arg.)

Chaos in Chile: Die Faehre von Quellon nach Chaiten
Es gibt pro Woche etwa 2 Faehren von Quellon ins 3000-Seelendorf Chaiten, eine von der Gesellschaft NAVIMAG, und eine von der Gesellschaft TRANSMARCHILAY.
- (Ich) Guten Tag. Wir rufen Sie an um zu fragen, wann die Faehre von Quellon zu Ihnen nach Chaiten faehrt.
-- ... die Faehre... ja, Moment mal...
- Sie sind doch TRANSMARCHILAY, die Faehrenunternehmung, und ich spreche doch mit dem Buero in Chaiten, ja...?
-- Jaja, nur... ich muss mal nachfragen, Moement.
Musik.
Pause.
- Hallo?
-- Jaja, ich kann das nicht sagen... im Moment.
- Wissen sie es nicht?
-- Es faehrt keine Faehre.
- Aber... in unseren Informationen steht, dass Sie diese Strecke bedienen, stimmt das denn nicht mehr...?
-- Doch, doch, das ist schon so, aber wie ich ihnen schon sagte, im Moemnt weiss ich nicht genau...
- Wissen sie es nicht, oder faehrt keine Faehre?
-- Es gibt keine, bzw. ich kann es ihnen nicht sagen.
- Wer kann mir das sagen?
-- Ich weiss es nicht.
- Aber ich rede doch mit TRANSMARCHILAY in CHAITEN und frage, wann die Faehre von TRANSMARCHILAY nach CHAITEN faehrt. Wer kann mir helfen wenn nicht sie?
-- ...Ja, rufen sie doch mal bei der Konkurrenz, bei NAVIMAG an. Ich gebe ihnen die Nummer.
- Ich weiss, dass die NAVIMAG Faehre am Freitag faehrt, aber ich will herausfinden, wann die TRANSMARCHILAY Faehre faehrt!
-- Wir haben keine Faehre mehr.
- O.K. ... Sie haben keine Faehre mehr.
-- Nein.

Nicht danach fragend, was denn die Existenzberechtigung des Faehrenangestellten im 3000-Seelendorf mit 1 Faehre die Woche von Quellon nach Chaiten ist, bedanke ich mich und lege auf. Das Ende unseres 7. Anrufes mit dem Ziel den Abfahrtstag der Faehre herauszufinden.
3 Tage spaeter treffen wir 2 andere Schweizer, die mit Faehre von Quellon nach Chaiten gingen, mit der von TRANSMARCHILAY, am Sonntag, um 1200h.
(Und all denen die so etwas kaum glauben koennen, die sitzen im gleichen Boot wie die Telefongesellschaftsangestellte, die dem Gespraech zuhoerte und ihren Ohren ebensowenig glaubte...)

Carretera Austral - gemeinsame Reise ans Ende der Welt
Carretera Austral: Pinochets Strasse ans Ende der Welt. Mehr als 1000 km ungeteert ins Nichts. Vorbei an Gruen, vorbei an Bergen, Seen, Waeldern. Begleitet von stets 5fach verdrahteten Schafszaeunen, wer weiss, wer ihn geschaffen, wer weiss, wozu; begleitet von ewig monoton sich dahinziehenden Telefonmaesten mit ihren durchhaengenden Draehten, ins nirgends fuehrend, kaum je gebraucht.
Wir kommen langsam voran. Kilometer um Kilometer, gequaelt vom Holpern der schaebigen Ueberlandbusse und den mal dreckig, mal unbequemen Ladeflaechen der Pickups mitleidiger autostoepplerfreundlichen Chilenen.
Herausforderung der Traumstrasse in den Sueden.
Chaiten, km 53.“Where are you from?” fragt uns ein Israeli mit einem nationalitaetentypisch verhuellten Riesenrucksack; einer der vielen, die ihre Nachmilitaerdienstzeit im Ausland ausleben. “Where are you going next?” - “Where have you been?” ... Eine Konversation…? Nein, eher nur Fragen. Ist ja klar: er wollte ja nur wissen wo das billigste Hostel ist.
Villa Sta Lucia, km 356. “Where are you from?” ... “Ah, au Schwiizer”. Einer mehr unter den vielen strampelnden Schweizer, die sich der Herausforderung dieser Strasse mit den Leiden des unermuedlich kaempfenden Velofahrers unterwerfen. “Wo sind ihr scho gsi?” - “Wohii goender?” ... Eine Konversation…? Schon eher, aber ist ja klar: er war froh wieder mal Schweizerdeutsch zu sprechen.
Puyuguapi, km 478. “De donde son?” fragt uns der beleibte, unrasierte chilenische Hospedajebesitzer. “Ah Suiza, se parece mucho a Patagonia, verdad?“, kaut er die Antworten frueherer Touristen freundlichst wieder. “A donde van?” - “Donde fueron?” ... Eine Konversation…? Nein, wieder nur Fragen. Ist ja klar: er wollte uns sein Hostel anbieten.
Coyhaique, km 582. “Where are you from?” fragt uns ein ein ruestiger Amerikaner, der seine aus den Staaten durchorganisierte 2000USD Ferienwoche hinter sich bringt, und fuer den Swaziland und Schweden schon immer schwer zu unterscheiden waren. Eine Rolle spielt die Antwort wahrlich nicht. Und mehr Fragen stellt ein Amerikaner nicht, Konversation ist Einbahnverkehr mit Park- und Ruckwaertsfahrverbot, denn ist ja klar: Er wollte nur sagen: “It’s just great, the best of the world…”
Cochrane, km 827. “De donde son?” fragt uns die turnschuhtragende, schlafsacklose, alphabetverabscheuende Japanerin mit perfekter aber gehemmt eingesetzter Spanischgrammatik. “A donde van?” - “Donde fueron?” ... Eine Konversation...? Nein, nur Fragen, die Verlangen aeussern. Ist ja klar: Sie suchte Reisegschpaenli.
Villa O’Higgins, km 1193, Ende der Strasse, Ende der Welt. Endlich am Ziel, 2 Bus-Tagesreisen weit weg vom letzten Supermarkt, eine Bus-Tagesreise zum naechsten Dorf, zum naechsten Restaurant. Dort, wo letztes Jahr mit der Strasse das Telefon ankam, das von den wenigen Eingewanderten aus Coyhaique fuer die Einheimischen bedient wird. Dort, wo Distanzen noch in Pferdestunden angegeben werden. Dort, wo die wahren Mate-trinkenden Gauchos in Winternaechten noch bis heute nach Argentinien zum Laemmerraub reiten. Dort, wo staatlicher Arzt, Bank und Notar die monatlichen 2 Stunden Zeit haben, bis zum Start des Rueckflugs. 2 Telefons, 7 Autos, 20 Carabinieros, 400 Einwohner ueber die Gemeinde verteilt bis zu 11 Pferdestunden weit weg.
Auf der Municipalidad begegnen wir Lorena. - Ein kurzer Blick, Stille. Keine Frage. Der Anfang einer Konversation. Ist ja klar, sie will nichts von uns, sie bietet nur an: Gastfreundschaft. Die naechsten 3 Tage verbringen wir in ihrem 2-Zimmer Haus.
Es entstand Konversation. Gute Konversation.

Ushaia, ein zweites Mal am Ende der Welt
Ushaia, die suedlichste Stadt der Welt. Weiter suedwarts liegt Puerto Williams, das Kap Horn und dann kommt schon die Antarktis. Klar, auch da koennte man hin. Und bestimmt waere es wunderschoen... (und alles eine Frage des Geldes), doch fuer uns bleibt vorerst Ushaia der suedlichste Punkt, das zweite Ende der Welt.
Weiter suedlich geht meine Reise nicht mehr und hier endet auch die gemeinsame Zeit mit Philippe. Es gilt Abschied zu nehmen... von zwei ausserordentlichen Reisemonaten.
Nun geht es wieder nordwaerts, Bolivien und Peru heissen meine naechsten Ziele. Es beginnt ein weiterer, neuer Abschnitt meiner Reise, auf den ich mich freue.

Herzlichen Dank allen, die mir geschrieben haben, trotzdem die Antworten zum Teil ausblieben.
Macht es gut und geniesst eure Zeit
liebe Gruesse
Andreas

 

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