02.05.2002
Meine Schuhe und andere Geschichten
Hallo alle miteinander
Schon ist es wieder lange her, dass ich mich gemeldet habe und das hier
duerfte so ziemlich das letzte Rundmail sein, dass ich aus Suedamerika
verschicke. Folgedermassen habe ich es aufgebaut:
1. Meine Schuhe
1.1 Vorgeschichte
1.2 Nord- & Mittelamerika
1.3 Suedamerika
2. Eine Busfahrt in Bolivien
3. die letzten 2 Wochen
4. Danke und auf Wiedersehen
1. Meine Schuhe
1.1 Vorgeschichte
Um es vornewegzunehmen, es geht um meine Wanderschuhe, die wahrscheinlich
einige von euch schon gesehen haben. Die ersten aktiven Erinnerungen dieser
Schuhe liegen nun doch schon 6 Jahre zurueck, denn sie waren im Moot 96 in
Schweden dabei. Seither haben sie schon einiges mitgemacht: Tausende von
Kilometern zurueckgelegt, hunderte von Baechen ueberquert, unzaehlige Male
nass geworden - sei es von Wasser oder Schnee, Hitze und sehr viel Dreck
ausgehalten.
Ja, diese Schuhe waren eine lange Zeit treue Begleiter auf vielen
Wanderungen und Pfadianlaessen. Nur wenige Male, naemlich wenn ich im Militaer war,
durften sie pausen.
Letztes Jahr musste ich schliesslich die Sohlen bei einem Schuhmacher (die
es in der Schweiz vereinzelt doch noch gibt) ersetzen lassen und man koennte
meinen das richtige Leben hat erst damit begonnen. Es folgten die 300 km in
der Slowakei, die Wanderwoche im Wallis und schliesslich die Hikes im
Eurolife ueber den Loetschenpass und beim Schilthorn. Und schliesslich musste ich
mich entscheiden, ob ich sie auf meine grosse Reise mitnehme...
1.2 Nord- & Mittelamerika
Das ist eher ein dunkles Kapitel, denn meine Wanderschuhe blieben waehrend
drei Monaten irgendwo unten im Rucksack und sie fragten sich wohl schon,
warum sie ueberhaupt dabei sind.
1.3 Suedamerika
Mit der Ankunft in Santiago aenderte sich das Leben der bis dahin
schmollenden Schuhe schlagartig. Fuer die Patagonientour setzte ich voll auf sie und
das zurecht. In meinem letzten Rundmail konntet ihr lesen, wie viel wir zu Fuss
unterwegs gewesen sind, doch ich fand es noch nicht erwaehnenswert euch
ueber die treuen Dienste meiner Wanderschuhe zu berichten. Tapfer haben sie
durchgehalten, auch wenn danach einige Risse im Leder blieben und die Sohle schon
ziemlich niedergelaufen war und sich an einigen Stellen zu loesen begann.
Als ich dann bei Susanne weilte, suchte ich das erste Mal in Suedamerika
einen Schuhmacher auf, der mir fuer ein paar wenige Rappen meine Treter naehte
und wieder in Stand stellte.
Die naechste Herausforderung stellte sich schon bald. Nach dem ich Andrea in
Lima abgeholt hatte, fuhren wir nach Arequipa weiter, wo wir den Colcacanon
bezwangen. Es folgten einige tolle Tage am Titicacasee, wo es aus Sicht der
Schuhe eher ruhig zu und herging, doch trotzdem bezwangen sie den ersten
4000er.
Schliesslich gelangten wir nach Cusco, der ehemaligen Inkahauptstadt. In
dieser Stadt und seiner Umgebung gibt es einiges zu entdecken und zu sehen, doch
uns zog es auch in die Berge. Wir wollten mal einen 6000er aus der Naehe
sehen und entschieden uns fuer den Salkantay-Trail:
Nach einer moerderischen Busfahrt waren wir noch weiter 6 h zu Fuss
unterwegs, um in ein Tal an den Fuss des 6000er zu gelangen. Allerdings war er noch
hinter einem anderen Berg versteckt und bewoelkt war es auch. Ja, es begann
sogar noch zu regenen, als wir unser Zelt aufstellten. Am Abend bemerkte ich,
dass sich die Sohle meines Schuhes etwas mehr geloest hatte, doch ich
versuchte es mit dem ThermaRest Leim zu flicken, was allerdings keinen Erfolg
einbrachte. Der naechste Tag war der haerteste. Wir hatten einen Aufstieg auf den
Pass (5017 m) vor uns. Allerings heuerten wir ein Maultier (mit Treiber) an,
das uns die Rucksaecke bis auf den Pass trug. Man merkte schon, dass die Luft
auf dieser Hoehe schon ziemlich duenn ist und wir waren froh, mussten wir die
Rucksaecke nicht selbst tragen. Die Gegend war wunderschoen, nur konnten wir
nichts von unserem 6000er, dem Salkantay sehen, da er total in den Wolken
versteckt war. Auf dem Pass fing es dann auch noch an zu schneien und spaeter
zu regenen. Trotzdem, es war ein tolles Gefuehl, auf diesem Pass auf 5000 m zu
stehen und sich so nah an einem 6000er zu wissen. Auch Schuhe machten den
Aufstieg wunderbar mit, doch der Abstieg beanspruchte sie schon etwas mehr. Am
Abend versuchte ich sie notduerftig mit 2, 3 Stichen selbst ein wenig zu
flicken. 2 Stunden hielt es und dann wurde es immer schlimmer. Am letzten Abend
war die Haelfte der Sohle lose und ich musste mich wieder als Schuhmacher
betaetigen und verpasste dem Schuh zwoelf Stiche und vorne zwei
Sicherheitsnadeln. Erstaunlicherweise hielt das dann bis wir wieder in Cusco waren.
Bevor wir auf den Inkatrail und nach Machu Pichu gingen, liess ich meine
Schuhe natuerlich reparieren. Diesen historischen Inkaweg hielten sie dann ohne
Probleme durch.
Schliesslich musste Andrea nach einem wunderschoenen Monat in Peru wieder
zurueck in die Schweiz. Ich entschied mich noch die hohen Berge in der Region
von Huaraz zu sehen. Mit zwei Deutschen machte ich mich auf einen 4 taegigen
Trek vorbei an vielen schoenen, weissen, hohen Bergen. Den Pass auf 4750 m
schafften wir ohne Maultier, doch auch hier hatten wir Pech und sahen vor allem
Wolken und keine Berge. Als sich schliesslich das Wetter doch noch auftat,
war der Film schon voll... Zurueck in Huaraz war es dann wieder an der Zeit,
die Schuhe zu einem Zapatero und Schuhputzer zu bringen.
Die naechste Station war La Paz, wo ich zufaelligerweise eine
Reisebekanntschaft aus Patagonien wieder traf. Mit ihm zusammen machte ich meinen letzten
Trek: den Yunga-Cruz Trail, vom Altiplano in die Yungas. Als wir am Ende des
Trek in einem kleinen Hotel abstiegen, verschwand am Abend der eine meiner
Schuhe, doch nachdem ich mich beschwert hatte, stand er bald wieder vor der
Tuer. Allerdings sehen sie nun doch schon alt aus: Die Sohle ist abgelaufen, die
Risse im Leder gross, die Wasserdichtigkeit haben sie schon vor langer Zeit
eingebuest und ueber den Geschmack schreibe ich nichts weiteres. Ich bin nun
wieder bei Susanne in Tarija, lasse die Schuhe noch ein letztes mal flicken
und dann sollen sie hier bleiben und noch jemand anderem gute Dienste
erweisen...
2. Eine Busfahrt in Bolivien
La Paz - Chunavi, 6 Stunden (wobei ich immer noch nicht weiss, ob das nun
mit, oder ohne Pausen gerechnet wird)
Die offizielle Abfahrtszeit dieses Buses ist 9 Uhr morgens. Allerdings muss
man schon etwas frueher da sein, um sich ein Ticket zu kaufen, damit man
sitzen kann. Kurz nach 8 Uhr waren wir da und man gab uns die besten Plaetze,
gleich hinter dem Fahrer (vielleicht weil wir Touristen sind?). Das Gepaeck
wurde oben auf den Bus geschnuert und notduerftig zugedeckt, denn es regnete
ziemlich stark. Wir hatten noch Zeit etwas zu essen und sassen dann im Bus, der
sich langsam fuellte und man haette meinen koennen, es werde Markt dadrin
abgehalten: Kartoffeln, Gemuese, Huehner, grosse Saecke und Kisten... alles fand
irgendwo Platz. Der Bus war bald voll und im Gang tuermte sich alles
moegliche, die Kinder sassen bei ihren Eltern auf den Knien und es lebte.
Schliesslich fuhren wir dann doch noch ab und ich muss wohl kaum erwaehnen,
dass es nicht 9 Uhr morgens war. Die erste Stunde brauchten wir um La Paz zu
durchqueren. Das einfachste ist dabei, man macht die Augen zu um den Verkehr
und wie er funktioniert nicht zu sehen. Gluecklicherweise fand unser
Schauffeur ohne Unfall aus diesem Hexenkessel heraus und wir fuhren durch die
Vorstadt, wo er ploetzlich am Strassenrand anhielt und den Motor abstellte. Alles
stieg aus. Als wir schliesslich noch alleine im Bus sasse, fragten wir uns was
das soll und stiegen ebenfalls aus. Mittagshalt. Alle haben in einem
Restaurant Platz genommen um das Menu: Arroz con Pollo fuer 5 Bolivianos einzunehmen.
Sowas liessen wir uns nicht zwei Mal sagen...
Bald gings dann weiter. Es regnete noch immer und die Strasse war ziemlich
schlammig. Doch unser Bus aus den USA, Baujahr 1934, auf dem noch immer die
Flagge von Saudiarabien prangt, wo er vor Bolivien unzaehlige Wuestenkilometern
auf holprigen Sandpisten zurueckgelegt hat, meisterte alle Schlagloecher und
Schlammgruben mehr oder weniger ohne Probleme. Allerdings mussten wir einige
Male aussteigen, damit nur der Chauffeur stuerzt, falls der Bus doch kippen
sollte. Und als der gruene Bus schliesslich doch noch steckenblieb, wurde
vorne eine Kette angebracht, Schaufeln und Pickeln vom Dach geholt und mit
vereinten Kraeften aller Passagiere der Bus aus dem Loch gezogen.
Wir passierten einige Doerfer, wo so eine Buseinfahrt die taegliche
Attraktion ist und man mindestens eine Viertelstunde Halt macht.
Nach etwa 5 Stunden Reise kamen wir zu einem Bergrutsch, der die Strasse
mitgerissen hatte. Doch zum Glueck war da eine Baumaschine, die schon ziemlich
den ganzen Weg wieder geoeffnet hat und nur noch ein kleines Stueck fehlte.
Der Bus wurde vor dem Rutsch angehalten, alle stiegen aus, um der Baumaschine
bei der Arbeit zu zuschauen. Doch wir mussten entdecken, dass die Raupe des
Fahrzeugs kaputt war und die Maschine untaetig dortstand. Doch wir kamen ja...
waehrend 2 Stunden versuchten alle versammelten Maenner die Raupe zu
reparieren, wobei es immer nur noch schlimmer wurde und am Schluss sah es ziemlich
hoffnungslos aus, und die Maschine war von einem neuen Erdrutsch halb
zugedeckt. Wir entschioeden uns, den Rest des Weges zu Fuss zurueckzulegen, obwohl wir
nicht wussten, wie weit es noch war, denn zwischen 1 und 4 Stunden wurde uns
alles gesagt.
Bald begann der Nebel aufzuziehen und schliesslich wurde es auch noch
dunkel. Nach 2 1/2 h erreichten wir endlich unser Bestimmungsort und konnten soeben
noch vor dem Regen in der Schule Zuflucht finden. Als wir unser Nachtessen
kochten, hoerten wir draussen auf der Strasse ein uns vertrautes Hupgeraeusch.
Der Bus! Haben sie es doch noch geschafft? Der Fahrer erklaerte uns lachend,
dass sie mit Haenden und Schaufeln eine neue Strasse um die stillgelegte
Maschine gebaut hatten, auf der sie dann endlich vorbei kamen. So geht das.
3. die letzten 2 Wochen
Knapp zwei Wochen bleiben mir nun noch in Suedamerika. Wie schon gesagt
verbringe ich nun nochmals einige Tage in Tarija bei Susanne. Naechste Woche
mache ich mich auf den Weg nach Buenos Aires, von wo ich zurueckfliegen werde.
Auf dem Weg dahin moechte ich noch bei den Iguazufaellen vorbei. Viel mehr
bleibt mir wohl nicht mehr, denn die Zeit vergeht so schnell... aber ich freue
mich, nach Hause zu kommen.
4. Danke und auf Wiedersehen
8 Monate war ich unterwegs und habe viel erlebt und gesehen. Aber ich
moechte mich hier nochmals bei allen bedanken, die mir irgendwann mal geschrieben
haben. Es hat mir immer gut getan, etwas von zu Hause (oder auch von
auswaerts) zu lesen. Danke fuers lesen meiner Rundmails und ich hoffe ich habe euch
nicht zu sehr gelangweilt.
Auf Wiedersehen in der Schweiz!
liebe Gruesse
Andreas |