11.09.2002
Transsibirische Eisenbahn
11.-15.09.2002
Bin heil und munter in Irkutsk angekommen. Es war eine tolle Fahrt.
Am letzten Mittwoch bin ich am Abend von meiner Gastfamilie abgereist,
die mich verwoehnt hatte.
Als ich aus der Metro kam, sah nichts nach einem Bahnhof aus. Eher wie
in einem Markt. An der Hauptstrasse gab es viele grosse Gebaeude und
durch eine kleine Tuere sah ich Leute mit Gepaeck hineingehen. Koennte
vielleicht ein Bahnhof sein, also hinterher. Wow. Richtig gross sah es
innen aus. Aber fuer mich war es der falsche Bahnhof. Dieser war fuer
den Westen Russlands gedacht und nicht fuer den Osten. Also, wieder
hinaus und weitersuchen. In der Naehe hatte es auch Gleise, die aber
durch Gitter abgesperrt waren. Privatbahnhof?!? Ganz zuhinterst gab es 4
einsame Gleise und auf dem letzten war mein Zug.
Die Provodnidsa kontrollierte genaustens mein Ticket, bevor ich
einsteigen durfte. Ich war zuerst in meinem Abteil und konnte mein
Gepaeck unter dem Bett verstauen. Bald kamen auch Dmitri und Max
(Gorol), meine zwei jungen russischen Nachbarn, die kein English
sprachen. Sie kamen gerade vom Urlaub am schwarzen Meer. Der letzte
Platz blieb zu meinem Glueck leer.
Wir verstanden uns auch ohne Worte sehr gut und fuehrten gestikulierend
interessante Gespraeche. Schoggi mochten sie sehr. Spaeter tranken wir
Wein uns spielten Poker.
Im Bett hatte ich diagonal gerade Platz und um 2 Uhr gingen wir
schlafen.
Das Leben im Zug
Das Leben im Zug ist sehr gemuetlich. Wir haben nun 5000 km durchfahren
und 5 Zeitzonen vorgeholt. Dadurch hatten wir nur 22 - 23 Stunden Tage.
Das heisst gleich viel Schlaf, aber immer spaeter aufstehen.
Insbesondere meine Nachbarn pennten ewig. Sogar viel mehr als ich.
Im Abteil gibt es vier Betten; zwei unten und zwei oben. Normalerweise
kann man bequem sitzen. Da ich aber recht gross bin, klappte ich das
obere leere Bett hinauf (welch ein Glueck).
Die Fenster sind geschlossen, weil es eine Klimaanlage hat. Dadurch
werden die Fenster je laenger je dreckiger. Also keine huebschen Fotos
aus dem Zug von der Taiga. Am Fenster haengen nette Gardinen, die aber
die Sicht nach draussen massiv einschraenken. Am besten gleich
abmontieren oder irgendwo anbinden.
Es hat Licht und einen Lautsprecher, von dem man mit Radio berieselt
wird, falls man nicht gerade in der Wildnis ist. Selbst mit meinem
Weltempfaenger hatte ich keine Sender hineingekriegt.
Pro Wagen gibt es zwei Toiletten und ein Samowar, aus dem man 90 Grad
warmes Wasser fuer Tee, Kaffee oder Suppen herauslassen kann.
Zwei Provodnidsas sind fuer die Sicherheit der Gaeste und die Sauberkeit
des Wagens verantwortlich. Zwei Mal pro Tag wird gestaubsaugt und nach
Bedarf Toiletten geputzt und Abfall geleert. Auf sie muss man auch
achten, wenn man am Bahnhof spazieren geht. Die Abfahrt wird nicht
angekuendigt, sondern der Zug faehrt einfach ab. Sie wissen am besten,
was die Zeichen der bevorstehenden Abfahrt sind. Ein Schokoladengeschenk
wirken Wunder.
Einen Speisewagen gibt es auch, der fuer das leibliche Wohl und die
Geselligkeit da ist.
Hab einen Tag vor meiner Ankunft gehoert, dass es auch einen Wagen mit
Duschen gibt. Hab aber nicht mehr danach gesucht.
Ich habe einen sehr guten Zug erwischt (Nr. 10). Mir mangelte nichts und
die Angestellten gaben sich grosse Muehe. Hab gelesen, dass das nicht in
jedem Zug der Fall ist.
Alle paar Stunden haelt der Zug mal in einem Nirgendwo fuer 2 Minuten
an, 2 - 3 Stops pro Tag fuer 20 Minuten in groesseren Staedten. Zeit,
die Beine zu vertreten, einige Lebensmittel bei den fliegenden Haendlern
einzukaufen, vielleicht ein paar Suessigkeiten zu probieren und Fotos zu
machen.
Landschaftlich sieht man fast nur Wald. Ab und zu ein paar Grasflaechen,
Huegel und Baeche. Man sieht auf dem Weg einige kleine Doerfer, die
Haeuser aus Holz haben und eine Naturstrasse.
Sehr viel Einsamkeit und Leere.
Man findet dadurch genuegend Zeit, andere Leute kennenzulernen, Karten
oder Schach zu spielen und zu essen und zu trinken. Falls man immer noch
Zeit hat, kann man noch was lesen. Am ersten Tag hab ich einen Thriller
gelesen, aber seither nicht viel nennenswertes.
Zeit hat noch eine andere Dimension. Alle Zuege fahren nach Moskauer
Zeit. Aber das Restaurant richtet sich generell nach Lokalzeit oder nach
der Sympathie der Gaeste. Uhren werden nach belieben umgestellt. Einige
leben nach Moskauer Zeit (so wie ich. Wollte wissen, wo wir wann
ankommen und wieviel Zeit ich habe). Andere nach Lokalzeit und ein paar
nach ihrer eigenen Zeit. Zeit ist im Zug ein relativer Begriff.
Ich habe nun eine Woche Zeit, den Baikalsee zu besuchen und andere Dinge
zu tun, bevor ich die naechste Etappe nach Ulan Bator in der Mongolei in
den Angriff nehme. Ich hab hier auch keinen Natelempfang, somit keine
SMS.
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